Schatten

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Deydalos
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Schatten

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Und wieder erwachte er an einem Ort, von dem er sich nicht mehr entsinnen konnte, dort sein Lager aufgeschlagen zu haben. Sein Kopf pochte vor Schmerz, seine Kleider waren zerschlissen. Deydalos stützte sich auf seine Unterarme und begann sich umzusehen. Das Laub klebte an seiner rechten Wange und der Stirn. Er sah zwischen den Stämmen der schier zahllosen Tannen in der Ferne die Elbenstadt, wie sie sich majestätisch in den blauen Morgenhimmel erhob. Gut, also war er noch auf Tol Vanima. Doch, was war diesmal geschehen? Deydalos setzte sich auf, wischte die Blätter aus seinem Gesicht und blinzelte in die Sonne, die ihre Strahlen durch das Dickicht der Bäume auf die kleine Lichtung sandte, auf welcher er nun saß.

Außer dem Schmerz in seinem Schädel, der ihm keine Ruhe gönnen wollte, schien er unverletzt. Keine Spuren eines Kampfes... Und dieses schwarze Gebräu aus der Taverne? Nein, das kann es diesmal auch nicht gewesen sein, hatte er sich doch nach seinen letzten Versuchen daran weitestgehend davon ferngehalten. Selbst dem Elbenwein versuchte er bisweilen fernzubleiben, um sich nicht wieder in unschickliche Situationen zu bringen. Also doch nur wieder schlafgewandelt? Was hatte er überhaupt geträumt? Und woher kamen diese Kopfschmerzen? "Rätselhaft", dachte er bei sich, als er sich angestrengt zu erinnern versuchte.

Doch, da war etwas... Bilder aus seinem Traum erschienen ihm allmählich, als er lang genug die Augen schloss und sinnierte. Es waren Augenblicke aus seiner Vergangenheit, von seiner Familie und jenem schwarzen Tage, als seine Heimat, die Nóremo-Inseln, vom Antlitz der Welt verschlungen wurden. Er sah den Blitzeinschlag in den Wald Vilyas, hörte die Schreie seiner Schwestern, spürte erneut den Schmerz in seiner Brust, die fassungslose Trauer und die unbeschreibliche Wut, die aus der Hilflosigkeit heraus geboren schien.

Warum haben diese Träume wieder begonnen? Seit seiner aufkeimenden Liebe zu Soraja fand er Trost und Geborgenheit in ihrer Nähe, so dass ihm diese Schatten nicht länger zu folgen schienen. Er hatte es doch überwunden und...es nach langem inneren Kampfe akzeptiert...oder nicht?
Hatte er nicht erst vor kurzem zum ersten Male das Schweigen über jene schicksalhafte Tragödie gebrochen und im Beisein von Soraja und Mevius über seine Vergangenheit und die Umstände, die ihn nach Gobiath verschlugen, berichtet?

Die letzten Tage gingen ihm durch den Kopf: Sorajas Schiffbruch, die Angriffe durch Wölfe und Trolle, das große Unwetter vor kurzem, das um ein Haar ganz Trollsbane in dem Schoße Usharas begraben hätte und das Gefühl der Hilflosigkeit, so lange er es noch nicht vollbringen würde, die Aufgabe seines Meisters zu dessen Zufriedenheit zu erfüllen, um endlich den ersten Schritt auf dem alten Pfade der Magie zu tätigen... Oder war er noch nicht bereit dafür?

Dydalos spürte, dass sich in und um Trollsbane etwas zusammenbraute, das nicht dem Willen der Fünfe entsprungen sein konnte, und so drängte es ihn innerlich sich entsprechend zu wappnen, um eigene Nachforschungen anstellen zu können. Und zugleich...fühlte er sich ohnmächtig seiner impulsiven Unbedachtheit ausgeliefert, die ihn nur allzu schnell ergriff, wenn es darum ging, rasch eine Entscheidung zu fällen. So hatte er bereits bereut, Enwell beinahe zu einer Dummheit verleitet zu haben, die ihm nach reiflicher Überlegung als so zweifellos töricht erschien, wie sie nur aus der Narretei und dem ungestümen Jähzorn eines Jungelfen hätte entspringen können, wenn er sich gegen die Weisheit und Regeln seiner Eltern zu widersetzen versuchte.

Die Zeit schien zu drängen, und dennoch ließen ihn die Schatten nicht los. Seine innere Zerrissenheit zermürbte ihn, so dass er sich unschlüssig auf einen Baumstumpf setzte und wieder einmal begann zu schnitzen, versuchend, seinen Dämon zu bezwingen oder ihn zumindest wieder zurückzudrängen...
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