Hört nun vom Ende der jungen Frau Moyáve, die ihrer Umwelt meistens durch destruktive Taten und unflätiges Verhalten auffiel, deren Herz von Verachtung und deren Geist von Wahnsinn durchsetzt war. Aber vorallem anderen war ihr Denken ein konstanter Widerspruch, dem sie sich nicht bewusst war und nicht bewusst sein wollte.
Vielleicht gibt es zwei Sorten von Menschen ohne Liebe, die seltenen, die sich dessen bewusst sind und dazu stehen und die häufigeren, die den Hass, den sie fühlen zu rechtfertigen versuchen. Moyáve war eine Meisterin darin, diesen Hass in eine Weltanschauung abzuleiten. Ihre Ideale lauteten Ehre, Mut, Heldentum, Stärke, Gerechtigkeit, Fleiß und Gehorsam, um ein paar zu nennen. Ehre war es ihr jedoch, zu töten, wer sie beleidigte. Mut war es, anzuzünden, wovon sie sich unterschätzt fühlte. Heldentum bestand darin, mit der Waffe im Fleisch des Gegners zu sterben. Stärke war es, kein Mitleid gegenüber den Schwachen zu zeigen und sie zu verfolgen, auf dass nur die Starken überbleiben. Gerechtigkeit wiederfuhr somit auch dem, der bekam was er verdiente, wie dem ungeschickten Mann, den sie einst hängen ließ, weil er ihren Spiegel zerbrochen hatte. Fleiß war das Streben nach Macht und Gehorsam galt es dem Stärksten gegenüber zu bringen. Moyáve sprach von all diesen Dingen und letztendlich hätte sie sie verraten, wenn es ihr Vorteil gebracht hätte. Tief im Inneren wusste sie auch möglicherweise, dass ihr das Leid lediglich Freude brachte, weil sie selbst viel gelitten hatte und es erst durch dieses Leid war, dass sie sich mit den Menschen verbunden fand. Auch hätte sie ein Versprechen gegeben und wäre für dessen kompromislose Einhaltung gestorben, bis irgendeine Kleinigkeit sie zum Bruch verführt hätte.
Und zu all dem war sie vergnügungssüchtig und eine heimliche Trinkerin.
So begab es sich also an dem Abend, über den ich berichten möchte, dass sie in der Taverne mit einem Zwerg und zwei anderen Herren gefeiert hatte, wo das harte Zwergenbier reichlich gefloßen war. Als sie sich nun zum Gehen aufmachte, die heiteren Lichter der Taverne hinter sich zurücklassend, war sie ein Mensch mit Plänen, der an seine Zukunft glaubte. Sie beging den Fehler zu glauben, dass ein Mensch, der sein Werk noch nicht vollendet hat und in der Welt nichts erreicht hat, wo sie doch zu erreichen so vieles gedachte, nicht sterben könne. Im Grunde glaubte sie nicht an das Schicksal und sie hielt die Welt für eine Institution, die mit den Menschen stand und fiel, also an etwas, was an die Menschen angepasst war. Aber manchmal ist die Welt absurd und ein Komödiant und manchmal werden die möglichen künftigen Tyrannen nicht von ihrem Gewissen, oder vom Volkszorn aufgehalten, sondern von diesem Stein, der sich Moyáve in den Weg stellen sollte. Die Taverne lag hinter ihr, die Lichter waren erloschen, auch am Himmel sah man keinen Stern und keinen Mond. So torkelte sie in die Richtung, in der sie das Schloss der Grauen Rose mehr vermutete als wusste. Sie gelangte in das umliegende Gebirge, orientierungslos und in ihren eigenen, betrunkenen Gedanken versunken.
Und ebenso war es, dass der Stein, der auf sie gewartet hatte sie fand und sie über ihn stolperte. Der Fall verlief schnell, sie hatte nicht die reaktionsschnelligkeit, sich mit den Händen aufzustützen und knallte mit dem Kopf auf einen Felsen, wobei sie sich eine Platzwunde holte und sich das Genick brach. Ihr letzter Gedanke hieß "unmöglich!". Dann war es zuende.
Nun liegt ihre noch frische Leiche unweit vom Schloss der Grauen entfernt zwischen zwei Felsen, einem kleineren und einem größeren.
So sage ich euch jungen törichten Leuten! Lernet aus Moyáves zu frühem Tod! Euer Leben liegt in den Händen der Götter und sie beenden es, auch wenn ihr eure Aufgabe noch nicht erfüllt habt. Ach und...achtet immer auf die Steine, auf eurem Weg
Namenloser Beobachter
The effect of small things
Moderator: Gamemasters