Schatten an der Wand
Posted: Mon May 05, 2003 4:48 pm
Die wenigen Kerzen spenden mehr ein diffuses Dunkel, als dass sie die Einrichtung des Zimmers erhellten. Das fahle Licht des heraufziehenden Tages dringt durch eine schmale schmucklose Maueröffnung in den ansonsten fensterlosen Raum, Staubpartikel tanzen in dünnen Streifen aus Dunst über dem groben Dielenboden.
Auf einem kleinen Hocker die Umrisse einer flachen Metallschüssel, daneben eine Schnabelkanne mit einem rohen Leinentuch darüber.
Ein riesenhafter grober Eichentisch füllt den von roten Sandsteinmauern umfassten Raum beinahe zur Hälfte aus. Auf ihm türmen sich Bücher, verstaubte Schriftrollen drohen jeden Augenblick sich zu verselbstständigen und auf den Fußboden zu fallen.
Zwischen all den Pergamenten und Folianten eine kleine Holzschüssel mit einem in Schafsmilch aufgelösten Getreidebrei, in dem zwei Fliegen brummend sich zu balgen scheinen; eine Kante Graubrot liegt halbzerkrümelt auf einem Schriftstück, zusammen mit einem faserigen Holzlöffel.
Als sich die Tür gegenüber knarrend und ächzend öffnet, wird für einen Augenblick die hinter dem Tisch auf einem breiten hölzernen Lehnstuhl in sich zusammengesunkene Gestalt wahrnehmbar.
Auch der riesige, fasst die ganze offene Front gegenüber dem "Fenster" einnehmende Kamin wird für einen Augenschlag lang vom hellen Schein aus der Diele angestrahlt. Das beinahe erstorbene Feuer blinzelt rotglutfarben in den durch den Türschwung erzeugten Windhauch, um sich schon im nächsten Augenblick sterbend in die graue Asche zurückfallen zu lassen.
"Schließ' die Tür", die Stimme im Lehnstuhl spricht leise in sonorem Bariton ohne zu flüstern. Der Aufgeforderte tritt in den Raum und lässt die erneut ächzende Tür überraschend lautlos ins Schloss zurückgleiten.
"Du hast gewusst dass dieser Tag kommen würde", die Stimme hinterm Tisch beginnt sich von Neuem in der ihr eigenen beruhigenden Weise zu erheben. "Du hast gesehen, was geschieht wenn wir untätig bleiben."
"Gewiss, aber ...", die Stimme des Hereingetretenen gerät ins Stocken, "Meister..., es ist nicht, dass ich daran zweifeln würde, nur ...", erneut scheint die zweite, deutlich jüngere Stimme Atem schöpfen zu müssen, "...warum jetzt, warum ich? Meine Ausbildung ist noch nicht beendet. Mir fehlt noch soviel an Wissen, Können und Erfahrung."
"Du hast nie gelernt, den Vögeln zuzuhören, mein junger Bruder. Bis tief in die Nacht hinein habe ich über der Prophezeiung gesessen und versucht, hinter den tieferen Sinn zu kommen. Am Ende bin ich wohl eingeschlafen. Im Traum erschien mir eine Eule, in ihr Federkleid wie aus Hermelin gehüllt saß sie da auf dem Bücherstapel und sprach zu mir."
"Eine Eule?", die jungendhafte Stimme klingt halb belustigt, halb zweifelnd, "wie etwa die Eule auf dem Umschlag eurer Pergamentrolle?"
"Ich weiß", die Tonlage des Alten verändert sich zu einem leichten Grollen, "Du machst Dir nichts von diesen Dingen. Aber die Eule hat mir von einem Schiff berichtet, von Plänen, die geschmiedet wurden und einer Hand im Dunkeln, die daran geht, unsere Welt zu verändern. Und als ich die Eule ansah, sah ich in Dein Gesicht."
Bleiern legt sich Stille über den Raum. Minutenlang verharren alle Worte in tonloser Untätigkeit.
"Geh' nun, die Zeit ist reif," die Stimme erscheint mit einem Mal kraftlos und leer, "wenn Du erfolgreich bist, werden wir uns auf dem Schlachtfeld wiedersehen."
Die Gestalt an der Tür, an die die Worte des Alten sich richten, tritt einen Schritt nach vorne, durch den Lichtstrahl in der Maueröffnung werden die Umrisse eines jungen Mannes sichtbar, dessen langes Haar im Nacken von einer Spange zusammengehalten wird und so den Ausblick auf das jugendhafte Gesicht preisgibt. Sein Blick folgt dem Alten, der sich erhoben hat und dem Angesprochenen eine kleinen Truhe überreicht, die unscheinbar auf dem Tisch gestanden hatte.
"Du weißt, wem das einmal gehört hat?"
"Natürlich Meister, ..." der junge Mann wirkt ernst und feierlich zugleich.
"Dann lass' mich jetzt allein". Der Alte steht am Mauerspalt und blinzelt hinaus.
Während der Junge den Raum verlässt, greift der Alte in die Öffnung und zupft etwas Geflecktes hervor, das sich zwischen den Mauersteinen in einer Ritze verfangen hat. Mit einem Lächeln öffnet er seine Finger und die flaumige Wolke taumelt, im sekundenlangen Aufbegehren gegen die Schwerkraft gen Boden.
"Träume...", murmelt der Alte, greift in die Seitentasche seines Umhanges und beginnt, sich eine Tabakspfeife anzuzünden.
Auf einem kleinen Hocker die Umrisse einer flachen Metallschüssel, daneben eine Schnabelkanne mit einem rohen Leinentuch darüber.
Ein riesenhafter grober Eichentisch füllt den von roten Sandsteinmauern umfassten Raum beinahe zur Hälfte aus. Auf ihm türmen sich Bücher, verstaubte Schriftrollen drohen jeden Augenblick sich zu verselbstständigen und auf den Fußboden zu fallen.
Zwischen all den Pergamenten und Folianten eine kleine Holzschüssel mit einem in Schafsmilch aufgelösten Getreidebrei, in dem zwei Fliegen brummend sich zu balgen scheinen; eine Kante Graubrot liegt halbzerkrümelt auf einem Schriftstück, zusammen mit einem faserigen Holzlöffel.
Als sich die Tür gegenüber knarrend und ächzend öffnet, wird für einen Augenblick die hinter dem Tisch auf einem breiten hölzernen Lehnstuhl in sich zusammengesunkene Gestalt wahrnehmbar.
Auch der riesige, fasst die ganze offene Front gegenüber dem "Fenster" einnehmende Kamin wird für einen Augenschlag lang vom hellen Schein aus der Diele angestrahlt. Das beinahe erstorbene Feuer blinzelt rotglutfarben in den durch den Türschwung erzeugten Windhauch, um sich schon im nächsten Augenblick sterbend in die graue Asche zurückfallen zu lassen.
"Schließ' die Tür", die Stimme im Lehnstuhl spricht leise in sonorem Bariton ohne zu flüstern. Der Aufgeforderte tritt in den Raum und lässt die erneut ächzende Tür überraschend lautlos ins Schloss zurückgleiten.
"Du hast gewusst dass dieser Tag kommen würde", die Stimme hinterm Tisch beginnt sich von Neuem in der ihr eigenen beruhigenden Weise zu erheben. "Du hast gesehen, was geschieht wenn wir untätig bleiben."
"Gewiss, aber ...", die Stimme des Hereingetretenen gerät ins Stocken, "Meister..., es ist nicht, dass ich daran zweifeln würde, nur ...", erneut scheint die zweite, deutlich jüngere Stimme Atem schöpfen zu müssen, "...warum jetzt, warum ich? Meine Ausbildung ist noch nicht beendet. Mir fehlt noch soviel an Wissen, Können und Erfahrung."
"Du hast nie gelernt, den Vögeln zuzuhören, mein junger Bruder. Bis tief in die Nacht hinein habe ich über der Prophezeiung gesessen und versucht, hinter den tieferen Sinn zu kommen. Am Ende bin ich wohl eingeschlafen. Im Traum erschien mir eine Eule, in ihr Federkleid wie aus Hermelin gehüllt saß sie da auf dem Bücherstapel und sprach zu mir."
"Eine Eule?", die jungendhafte Stimme klingt halb belustigt, halb zweifelnd, "wie etwa die Eule auf dem Umschlag eurer Pergamentrolle?"
"Ich weiß", die Tonlage des Alten verändert sich zu einem leichten Grollen, "Du machst Dir nichts von diesen Dingen. Aber die Eule hat mir von einem Schiff berichtet, von Plänen, die geschmiedet wurden und einer Hand im Dunkeln, die daran geht, unsere Welt zu verändern. Und als ich die Eule ansah, sah ich in Dein Gesicht."
Bleiern legt sich Stille über den Raum. Minutenlang verharren alle Worte in tonloser Untätigkeit.
"Geh' nun, die Zeit ist reif," die Stimme erscheint mit einem Mal kraftlos und leer, "wenn Du erfolgreich bist, werden wir uns auf dem Schlachtfeld wiedersehen."
Die Gestalt an der Tür, an die die Worte des Alten sich richten, tritt einen Schritt nach vorne, durch den Lichtstrahl in der Maueröffnung werden die Umrisse eines jungen Mannes sichtbar, dessen langes Haar im Nacken von einer Spange zusammengehalten wird und so den Ausblick auf das jugendhafte Gesicht preisgibt. Sein Blick folgt dem Alten, der sich erhoben hat und dem Angesprochenen eine kleinen Truhe überreicht, die unscheinbar auf dem Tisch gestanden hatte.
"Du weißt, wem das einmal gehört hat?"
"Natürlich Meister, ..." der junge Mann wirkt ernst und feierlich zugleich.
"Dann lass' mich jetzt allein". Der Alte steht am Mauerspalt und blinzelt hinaus.
Während der Junge den Raum verlässt, greift der Alte in die Öffnung und zupft etwas Geflecktes hervor, das sich zwischen den Mauersteinen in einer Ritze verfangen hat. Mit einem Lächeln öffnet er seine Finger und die flaumige Wolke taumelt, im sekundenlangen Aufbegehren gegen die Schwerkraft gen Boden.
"Träume...", murmelt der Alte, greift in die Seitentasche seines Umhanges und beginnt, sich eine Tabakspfeife anzuzünden.