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Am Festland
Posted: Sun Nov 28, 2004 7:22 pm
by Nerevar Schattenaxt
Monderhellte Dunkelheit lag über dem kleinen Dorf, irgendwo am Festland. Die Sonne war schon lange hinter dem Horizont verschwunden und der Nachthimmel war von leuchtenden Sternen umgeben. Die Bäume des naheliegenden Waldes schwangen leise mit dem Wind, während in fast allen Häusern schon das Licht ausgelöscht war.
Außer in der Taverne, jenem Haus am östlichen Wege, wo das rege Treiben der Trinker und Spielleute aus die Straße drang, gab es dort noch ein anderes Haus in dem Licht war. Ein schwacher Kerzenschein drang durch die matten Scheiben des Hauses, das aussah, als wenn es aus morschen Holzlatten gezimmert wäre. Im Inneren war nicht viel Veränderung zu erkennen: Der quietschende Holzboden hatte allerlei Löcher, die im Lauf der Zeit von Ratten hereingeknabbert worden sind. In einer Zimmerecke lagen alte zerfledderte Lumpen.
Ein dunkler Schrank war hier, außerdem noch ein alter robuster Tisch aus Eichenholz und ein Stuhl. Ein alter Mann saß dort und schreibt auf ein Pergament. Neben ihm ein großer Stapel an bereits beschriebenen Schriften, sowie ein kleines Tintenfass, in das er ab und zu die Feder taucht, um weiterzuschreiben. Zwischendurch legte er die Feder beiseite und schien nachzudenken. Er kaute an seinen Fingernägeln oder tippelt auf dem Tisch irgendeine Melodie nach.
Es war, als würde jede Sekunde dieser Nacht ein ganzes Jahrzehnt andauern. Nach einiger Zeit fing die Kerze aus Wachs an, bedrohlich zu flackern. Nicht mehr lange, und auch sie würde erlöschen, doch schon kurze Zeit darauf beendete der Alte seine Schreibarbeit und legte die Feder beiseite. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und zeigte für kurze Zeit die gelben Zähne des Alten, die ihm ein hässliches Antlitz verliehen, als er dort saß und das Pergament angrinste.
Mit einer geschickten Bewegung der Lippen blies er die Kerze aus und stand auf. Der kleine Raum war ihm wohlvertraut und so war es kein Problem für ihn, gelassen, zu dem Haufen von Lumpen zu gehen und sich hinzulegen.
Als man zwei Wochen später die Wohnung des Alten öffnete, weil ein derber Gestank aus der Hütte kam, fand man ihn tot auf dem Haufen liegen. Sein Gesicht war zu einem zufriedenen Grinsen verzerrt.
Alles war so, wie er es zurückgelassen hatte, sogar auf dem Tisch lagen noch die Pergamente, geschrieben in allgemeiner Schrift mit Worten jedoch, die eher an eine magische Formel, als denn an gewöhnliche Sprache erinnerten. Und so kam es, dass der Mann der Stadtwache, Bran, der die Blätter fand verwundert über sein Kinn rieb als er in Gedanken versunken die Worte laut vor sich her las.
Er wusste nicht, was er da las, aber es versetzte ihn in eine Art Euphorie, die er vorher noch nie empfand und in seinem Kopf verharrte ein Flüstern, gleich einer süßen Stimme die ihn in eine fremde Welt zog. Es war ihm, als wolle er in dieser Sphäre garnichtmehr verweilen - als würde seine Seele aus seinem Körper gesogen und an einen Ort gebracht, der schöner war, als alles was er je gesehen hatte. Ihm wurde schwarz vor Augen.
Ein paar Augenblicke stand Bran noch dort, mit den Papieren in der Hand, als ihn andere seiner Wache auf die Schulter klopften. "Ist alles in Ordnung mit dir? Du wirkst so apathisch." sprach ihm einer zu. Etwas irritiert blickte Bran zurück und entgegnete nur: "Ja, alles in Ordnung. Wir sollten den alten Kerl hier rausschaffen und verbrennen, bevor sich irgendwelche Krankheiten ausbreiten."
Bran zerknüllte das Pergament zusammen und warf es in eine Ecke. Leise flüsterte er einen Satz, der ihm über die Lippen huschte und lächelte in sich hinein.
"Frisch an’s Werk, Schattenaxt!"
Posted: Tue Nov 30, 2004 4:07 pm
by Nerevar Schattenaxt
"Wach auf!"
"Was?"
"Wach auf kleiner Mann, wach auf!"
Wie von einem Schock ergriffen zuckte Bran zusammen, aus einem Alptraum der Nacht, aufwachend. Er fühlte sich wie gelähmt, so tief ins Mark war ihn dieser Schock gefahren, dabei schien doch eigentlich alles ganz normal. Woher kam diese plötzliche Angst, die er jetzt fühlte und sich seiner bemächtigte, mitten im Bette der nächtlichen Kammer. Er starrte mit weiten Augen in die Dunkelheit des Raumes hinein, konnte aber nichts erblicken außer ruhiger nächtlicher Schwärze.
Was, um alles in der Welt, hatte ihn in diesem Augenblick geweckt? Er war sich sicher, dass er geträumt hatte, aber es wollte ihm einfach nichtmehr in den Kopf kommen, welche Schreckensbilder er dort vor sich hatte. Mit jeder Sekunde verblasste die Erinnerung an seinen Traum und schon kam es ihm albern vor, hier im Bett, auf den Ellbogen gestützt zu liegen um in die Nacht zu horchen und zu lauschen.
Es muss irgendeine Erinnerung an vergangene Schlachten gewesen sein, da war er sich sicher. Ja – das muss es gewesen sein; er konnte sowieso immer schlecht schlafen, wenn ihm Gedanken daran kamen. Ein leiser Seufzer entwich seinen Lippen während er sich zurücklegte und zur Zimmerdecke starrte. Noch immer konnte er sich wenig auf das Schlafen konzentrieren, so ungeheuerlich schienen ihm die letzten Minuten.
"Wach auf!" kam ihm ein Flüstern in die Ohren, welches ihn erneut hochfahren ließ.
"Was war das? Wer ist da?" zischte er aufgebracht in den dunklen Raum. "Wer ist da?" wiederholte er nochmals. "Wach auf!" kam es ihm erneut zu Ohren. Diesmal lauter, um einiges lauter, fast schon wie ein Schrei. Und noch mal kam es:
"WACH AUF!" diesmal wie ein lauter zischender Schrei der sich ihm direkt in’s Gehirn brannte, mit einer Stimme wie die, einer Schlange. Bran rieb sich die Augen, verwirrt von dem, was hier vor sich ging.
"Wer bist du? Wo bist du?" wollte er sagen, doch es gelang ihm nicht. Kein Laut ging über seine Lippen und seine schon getrübte Sicht musste ihn sehr täuschen: In der Ferne sah’ er einen Fackelschein; ein klein flackerndes Licht, welches zu ihm herüberschien.
"Welch Teufelei geht hier vor sich?!" schoss es ihm durch den Kopf während er sich wirr umblickte.
Er war nicht mehr in seinem Bette. Vielmehr kam es ihm vor, als schwebe er in einer Traumwelt in der er nichts erblicken kann als die Schwärze um ihn herum und diese ewig flackernde Fackel in der Entfernung. Plötzlich, ganz plötzlich vernahmen seine Ohren einen erneuten Laut: Ein leises Kichern. Als wenn jemand leise über den anderen kichert um sich dessen zu belustigen.
Kinderstimmen, ganz gleich den Stimmen junger Knaben drangen an ihn heran und durchschwirrten seinen Kopf von allen Seiten.
"Hüpf, hüpf! Wach auf und hüpf!" sangen die Kinder und lachten und kicherten, so als ob sie ein Spiel spielend um ihn herumtanzten.
"Dreh dich, dreh dich, hüpf, hüpf, hüpf!" sangen sie erneut. In diesem Augenblick konnte er sie tatsächlich erblicken. Die Schwärze wich und er stand in einem kleinen Wald mit großen Eichenbäumen. Um ihn herum eine Lichtung, von grünem Gras bewachsen und das Unterholz in der Nähe mit viel Laub und Sträuchern überdeckt. Um ihn herum tanzten auf fröhliche Art und Weise kleine Burschen, die ihn eher an eine hässliche Form der Halblinge, als an Menschen erinnerten.
Ihr Aussehen würde bei einem jeden tiefes Entsetzen hervorrufen: Sie hatten einen unförmigen dicken Kopf, ein bleiches Gesicht mit einer großen unförmigen Hakennase und ein Paar grünlicher Katzenaugen, die stechend hervorfunkelten. Ihr schiefes Maul mit groben, gelben Zähnen verformt sich bei ihrem Spielchen zu einem hämischen Lachen, welches mit einem gräßlichen Zischen aus ihrem Rachen klingt. Der Größte von ihnen trug ein Messer, sprang aus dem Kreise heraus auf Bran zu und stach es jenem Mitten ins Herz.
"Fröhlich, fröhlich, hüpf, hüpf, hüpf" setzten die anderen ihren Singsang fort während für Bran die eben erblickte Welt wieder verschwand und düster wurde.
Eine lange, wie ein ganzes Jahrhundert wirkende, Stille folgte.
"Wach auf kleiner Mann! Es ist Zeit, wach auf!" drang es irgendwann wieder an sein Ohr. Er konnte nichts mehr sehen, die Augen wollten ihm einfach nicht aufgehen. Stattdessen sprach er der Stimme entgegen.
"Wer bist du?"
"Übergib dich uns – Wach auf!"
"Wie... Wie komme ich hierher?"
"Es ist Zeit, du musst zu uns kommen, folge dem Licht!"
Wie durch ein Wunder konnte er wieder etwas erblicken, nämlich erneut das flackernde kleine Licht in der Entfernung. Er spürte, wie es ihn förmlich dorthin zog, es ihm gleichzeitig aber auch schmerzte, mit jedem Gedanken, den er daran verschwendete. Es kam ihm vor, als wenn ein großer Schwall von Feuer seine Seele und sein Herz zerstach und sich an ihm labte. Völlig apathisch hatte ihn das Licht in seinen Bann gezogen und wurde mit jeder Sekunde größer, stärker und näher, als wolle es ihn überwältigen.
"Nein! Was geht hier... Nein, ich will nicht!" überwand sich Bran und schrie es heraus. "Spür’ das Feuer! Gib mir deinen Körper!" "Hilfe! Was geht hier vor?!"
"GIB MIR DEINEN KÖRPER, NARR!" schrie ihm die grässliche Stimme nun entgegen und zerriss alles, was seine Seele noch zusammenhielt. Der Schmerz, welcher ihn dabei durchzuckte war zu groß, als dass er sich verwehren konnte. Der Widerstand seines Geistes war gebrochen und das Licht, welches mittlerweile überall um ihn war, übermannte ihn – Wie eine Befreiung, die den Schmerz aus seinem Körper zog. Am Ende war dort nichtsmehr, als jenes feuerrote Licht, das ihn umschloss und niemehr freigab. Wie in einer anderen Welt klangen ihm immer noch die Gesänge der jungen Knaben in den Ohren und umnebelten ihn in ewiger Trance.
"...Hüpf... ...hüpf... ...hüpf..."
Bran erwachte in seiner nächtlichen Stube. Jedenfalls hatte er Brans Gestalt und nur ein guter Beobachter mochte den leicht grünen Schimmer in seinen Augen bemerken, während sich die Person übers glatte Gesicht rieb und sich aus dem Bett erhob. Wie eine Probe an den eigenen Körper bewegte sich Bran hin und her und streckte die Arme, als wenn er aus langem Schlaf erwacht.
"Gut gemacht" sagte er zu sich selbst. "Nun denn, Frisch an’s Werk!"
Posted: Mon Dec 06, 2004 12:53 am
by Nerevar Schattenaxt
In einer dunklen Gasse der Stadt stillte die Kreatur ihre Blutlust an dem noch zuckenden Herzen seiner jungen Beute, einem jungen Mädchen, dass wohl zur falschen Zeit am falschen Ort war. Als das Monstrum fertig war, hob es seine unförmige, krumme Nase aus dem blutigen Brustkorb und kreischte Laut, vor Wut aufgebracht. Sein hungriger Ruf hallte durch die schäbigen Tavernen und Bordelle, die noch geöffnet hatten.
Das Wesen schlich in den dunklen Schatten, kroch beinahe auf allen Vieren vom gekrümmten Rücken, und bewegte sich auf eine humpelnde Art. Ein kurzer Blick zu den Sternen, dann fletschte es wieder die Zähne. Es wünschte, es könnte jede Nacht jagen, um diesen unbändigen Hass und die Sehnsucht nach Rache zu stillen, aber es wusste auch, was seine Meisterin wollte.
Niemand durfte Verdacht schöpfen...
Das Scheusal winselte leise bei dem Gedanken an eine Berührung der Meisterin. Irgendwo tief in seinem hungrigen Innern erinnerte es sich an das Brennen der schwarzen Flammen und an das heiße Blut. Es würde gehorchen - Ja, diesmal würde es nicht scheitern. Die monströse Gestalt begutachtete die Straße, die in die Gasse mündete: leer. Nur die Tollkühnen und Betrunkenen wagten sich nach Sonnenaufgang noch auf die Straßen jener Stadt am Festland. Die Türen wurden alle verriegelt und die Fenster mit Brettern vernagelt.
Die massige Gestalt sprang in weiten Sätzen über die verschmutzte Straße. Wenn sie sich noch länger hier aufhielt, würde sie das Risiko eingehen, den Verdacht derer zu erregen, vor denen sie sich versteckte. Obwohl der Mond erst aufging, war die Jagd für diese Nacht vorbei. Demnächst würde die Kreatur mehr Kraft schöpfen.
Das Monstrum erhaschte beim Sprung über die Straße einen Blick von sich in einem Tavernenfenster, auf dem sich das Mondlicht spiegelte. Ausladende Kiefer, nackte Haut von der Farbe eines bleichen Flecks. Die krummen Nasenflügel blähten sich, um den kühlen Seewind einzusaugen. So viel Blut, so viele schlagende Herzen.
Das Untier raste in eine Gasse und folgte dem schmalen Weg in die dunkelste Ecke. Dort stank es nach Urin und Exkrementen. Es fand den abgelegten Kleiderhaufen, wühlte sich durch und fand das darin versteckte Ding. Mit den Zähnen zog es den Schatz heraus, studierte ihn zuerst mit einem kalten, grünen Auge, dann mit beiden.
Ein Schaudern erfasste seine Muskeln. Das Geschöpf wehrte sich dagegen, in sein Versteck zurückzukehren, es wollte nur laufen und sich an Fleisch und Knochen gütlich tun. Erneut kreischte es in die Nacht. Draußen auf der Straße brüllte jemand:
"Bring dein verdammtes Tier zum schweigen, sonst komme ich herunter und schneide ihm seine stinkende Kehle durch!"
Seine Haut prickelte vor Hunger, als das Ungeheuer einen Schritt vortrat in Richtung Straße, aber die Erinnerungen an die schwarzen Flammen hielten es ab. Es konnte sich dem Willen der Meisterin nicht widersetzen. Das scheußliche Vieh kehrte zu den Gewändern zurück und zu dem rundlichen Objekt, das es daraus hervorgezogen hatte. Es beugte sich herunter und blickte in den matten Glanz jenen Spiegels, dass es dort in den Händen hielt. Für diese Nacht endete seine Jagd.
Der kleine Gnom fühlte das Brennen von zerrendem Fleisch und sich verbiegenden Knochen. Er brach mitten im Unrat der Gasse zusammen und wand sich am Boden. Die Kiefer mit einem stummen Schrei weit aufgerissen, bildete sich die Nase zurück und die spitzen Zähne wurden zu Zahnfleisch. Die knotigen haarigen Hände verwandelten sich in normale Menschenhände zurück, während sich jene Krallen zu gelben Nägeln verkürzten. Nach nur wenigen keuchenden Atemzügen war die Illusion perfekt vollzogen.
Nackt kroch Bran aus Schmutz und Trümmern. Er rieb sich das Kinn, wo der schwarze Bart noch am Wachsen war, um Wangen und Hals zu bedecken, dann stand er auf. In seinem Herzen pochte das Blut des Mädchens, das er getötet hatte. Er grinste in die dunkle Gasse und ging zu den abgelegten Kleidern. Seine großen weißen Zähne blitzten im Mondlicht auf.
Er hatte eine erfolgreiche Jagd hinter sich - Schon bald würde er stark genug sein, um die Reise anzutreten, zu jener Insel, wo die Schande einst begann. Welcher Dämon erbarmen mit ihm hatte, wusste er selbst nichtmehr; jedenfalls hatte man seinem Geist erlaubt, diese Sphäre erneut zu betreten. Es musste mit seiner Meisterin zu tun haben, jener dunklen Stimme in der Nacht. Es war ihm egal, nur jener unsagbar schmerzhafte Gedanke an Rache und die Vorahnung auf einen viel schwärzeren Plan als jemals zuvor.
Ein Name kam ihm in den Sinn. Irgendwas hatte er mit seiner Vergangenheit zu tun. Er hasste diesen Namen - Dieser Name brannte ihm förmlich schwarz lodernde Flammen in die Seele. Tiefe Abscheu und Hass fühlte er, als sich sein Gesicht dabei zu einer skurrilen Fratze verzog.
"Gwynnether..."